Jürgen Melchior, 23966 Wismar
Vollmachtsvorlage - wozu?
Speziell für Bußgeld- und andere Behörden, die immer wieder
gern die Vorlage einer Verteidigervollmacht verlangen:
Insbesondere Bußgeldstellen bestehen immer
auf der Vorlage einer schriftlichen Vollmacht, wenn man sich dort als Verteidiger
meldet und seine ordnungsgemäße Bevollmächtigung
„nur" anwaltlich versichert. Um nicht immer wieder schriftlich
erläutern zu müssen, weshalb diese Versicherung durchaus
ausreicht, sei auf nachfolgende Darstellung verwiesen:
Die Vorlage einer schriftlichen Vollmachtsurkunde durch einen
Verteidiger schreibt das Gesetz nicht vor - außer in
bestimmten, hier nicht relevanten Einzelfällen. Vielmehr
reicht die anwaltliche Versicherung ordnungsgemäßer
Bevollmächtigung in aller Regel aus, insbesondere zur
Akteneinsicht
(vgl. z.B. BGHSt 36, 259; KG 3 Ws 290/04 vom
12.o7.2004; Beschluss 3 Ws (B) 100/09, 2 Ss 51/09 – 3 Ws (B)
100/09 vom 17.03.2009; LG Bremen StV 1982, 505; LG Cottbus StraFo
2002, 233; LG Dortmund AnwBl. 1977, 118; LG Ellwangen NStZ 2003,
331; LG Oldenburg StV 1990, 59; Burhoff, Handbuch für das
strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 4. Aufl. Rn. 60; ders.
Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche
Owi-Verfahren, 2. Aufl. 2009, Rn. 2785 ff. m.div.N.;
Burhoff/Stephan, OWiG, Rn. 130; KK-StPO5-Laufhütte
vor § 137 Rn. 3 m.div.N.; § 138 Rn. 15;
KK-OwiG3-Lampe § 51 Rn. 85 m.w.N.;
KK-OwiG3-Kurz § 60 Rn. 5 m.w.N.;
Meyer-Goßner, StPO50 vor § 137 Rn. 9 m.w.N.;
§ 145 a Rn. 9.), zur Einlegung von Rechtsmitteln sowie zur
Verteidigung des Mandanten allgemein.
Tatsächlich knüpft das Gesetz aber einige Rechtsfolgen
daran, ob sich eine
schriftliche Vollmacht des Verteidigers
bei den Akten befindet (vgl.
§ 51 Abs. III OwiG,
§ 145a StPO).
Soll z.B. der Betroffene bzw. Beschuldigte zu einem Termin geladen
werden, muss ihm die Ladung zugestellt werden. Falls er aber nicht
erreichbar ist, kann die Ladung stattdessen auch seinem Verteidiger
zugestellt werden,
wenn sich dessen
schriftliche Vollmacht
bei der Ermittlungsakte befindet. Kann der Verteidiger aber nun
seinen Mandanten - aus welchen Gründen auch immer - nicht
erreichen, können sich aus dessen Nichterscheinen im Termin
negative Folgen ergeben: So kann z.B. ein Einspruch gegen einen
Strafbefehl oder Bußgeldbescheid zurückgewiesen oder
eine Berufung verworfen werden.
Ähnliche Probleme kann es bei Zustellungen geben, die Fristen
in Gang setzen. Verstreichen diese, weil wirksam an den Anwalt
zugestellt worden ist, dieser aber den Mandanten nicht erreicht
hat, geht das oft zu Lasten des Mandanten (vgl. hierzu
OLG Hamm 4 Ss OWi 524/04 vom o5.10.2004: Leitsatz:
„Gemäß § 51 Abs. 3 OWiG gilt nur der
gewählte Verteidiger, dessen Vollmacht sich bei den Akten
befindet, als ermächtigt, Zustellungen in Empfang zu nehmen.
Dabei handelt es sich um eine gesetzliche Fiktion, die für den
Betroffenen nachteilige Wirkung haben kann und die deshalb nicht
großzügig zu dessen Nachteil ausgelegt werden kann.").
S. hierzu auch
BGH 2 StR 500/08 vom o3.12.2008: „Eine Zustellung an
einen Verteidiger ist unwirksam, wenn sich seine Vollmacht nicht
bei den Akten befindet (§ 145a Abs. 1 StPO)."
Schließlich bestehen eindeutige Vorschriften, wie zu
verfahren ist, wenn Schreiben, Verfügungen Und ähnliches
von Behörden an den Betroffenen gerichtet werden, so z.B.
§ 51 Abs. III OwiG.
Einfach ausgedrückt: Hat der Betroffene
einen Verteidiger, müssen Schreiben sowohl an ihn als auch den
Verteidiger gesandt werden.
Dennoch neigen diverse Behörden dazu, entgegen dieser klaren
gesetzlichen Regelung alle Schreiben nur noch an den Verteidiger zu
schicken, entweder in doppelter Ausfertigung oder aber einfach
„zur Weiterleitung". Ein Verteidiger ist jedoch nicht der
Postbote der Behörden, die ganz offensichtlich versuchen, auf
dessen Kosten Geld zu sparen.
Insbesondere aber wegen der hiermit verbundenen Rechtsfolgen empfiehlt es sich i.d.R.
eben nicht, als Verteidiger eine schriftliche Vollmacht vorzulegen.
Wie bereits eingangs erwähnt, ist die Vorlage einer
schriftlichen Verteidigervollmacht im Regelfall weder gesetzlich
vorgesehen noch ansonsten erforderlich
(vgl. z.B.
KK-StPO5-Laufhütte § 138 Rn. 15;
Meyer-Goßner, StPO47 Rn. 9 vor § 137 m.w.N.;
KK-OwiG3-Lampe § 51 Rn. 85 m.w.N.;
KK-OwiG3-Kurz § 60 Rn. 5 m.w.N.). Siehe insbesondere BGHSt 36,
259, 260:
„Der gewählte Verteidiger erlangt seine Rechtsstellung
mit dem Abschluß des Verteidigervertrags (Schnarr, NStZ 1986,
490; Dahs, Hdb. des Strafverteidigers, 5. Aufl., Rn. 87). Einer
zusätzlichen schriftlichen Bevollmächtigung bedarf es
nicht. Die „Verteidigervollmacht" dient lediglich zum
Nachweis, daß ein Verteidigervertrag besteht (Schnarr, NStZ
1986, 493; Weiß, NJW 1983, 89 -90-)."
So kann der Verteidiger auch Rechtsmittel einlegen oder - mit
ausdrücklicher Ermächtigung - zurücknehmen, ohne
dass es gleichzeitig des Nachweises einer Vollmacht bedürfte,
(s. KK-StPO5-Laufhütte vor § 137 Rn. 3; sowie
KK-StPO5-Ruß § 302 Rn. 22 m.w.N.;
Meyer-Goßner a.a.O. § 297 Rn. 2 und § 302 Rn. 33
). Vgl.
OLG Hamm 2 Ws 7/05 vom 17.o1.2005: Leitsatz:
„Die Wirksamkeit der Einlegung des Rechtsmittels durch den
Verteidiger setzt dabei nicht voraus, dass dieser seine Befugnis
hierzu gleichzeitig durch eine Vollmacht nachweist."
Es wird daher um Verständnis gebeten, wenn die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht weder für erforderlich
noch für geboten gehalten wird.
Mehr dazu im
VollMachtsBlog - Dem Blog zum Thema.